Declan versteht Europa nicht

Der CNET-Journalist und Politech-Listenverwalter Declan McCullagh hat zugeschlagen: Why Europe still doesn’t get the Internet. Es geht dabei um den Europarat, der angeblich die politische Diskussion im Internet durch ein bürokratisches „right to reply“ gefährdet. Declan hat den Artikel mit Verweisen auf den US-amerikanischen Communications Decency Act gewürzt, der später vom Obersten Gericht für verfassungswidrig […]

Der CNET-Journalist und Politech-Listenverwalter Declan McCullagh hat zugeschlagen: Why Europe still doesn’t get the Internet. Es geht dabei um den Europarat, der angeblich die politische Diskussion im Internet durch ein bürokratisches „right to reply“ gefährdet. Declan hat den Artikel mit Verweisen auf den US-amerikanischen Communications Decency Act gewürzt, der später vom Obersten Gericht für verfassungswidrig erklärt wurde. In seiner Furcht vor staatlicher Regulierung, Bürokratie und seiner Begeisterung für das amerikanische First Amendment wird aus dem Entwurf einer Empfehlung ein großes europäisches Drama — zu Unrecht.

Das wichtigste Problem: Im Artikel geht es immer nur um ein „right ro reply“, also ein Recht auf Antwort. Declan zieht Parallelen zu früheren US-Regeln über Fairness. Im Juristendeutsch geht es hier um das Gegendarstellungsrecht: Das ist keineswegs ein Recht darauf, seinen eigenen Standpunkt in der Zeitung abgedruckt zu sehen. Nur bei Tatsachenbehauptungen kann man eine Gegendarstellung einfordern — und das in Deutschland seit 1997 auch bei Mediendiensten.
Die Grenzen dieser Verpflichtung stehen im § 14 Absatz 2 Mediendienste-Staatsvertrag: Eine Gegendarstellung ist nicht nötig, wenn

  1. der Betroffene kein berechtigtes Interesse an der Gegendarstellung hat,
  2. der Umfang der Gegendarstellung unangemessen über den der beanstandeten Tatsachenbehauptung hinausgeht,
  3. die Gegendarstellung sich nicht auf tatsächliche Angaben beschränkt oder einen strafbaren Inhalt hat oder
  4. die Gegendarstellung nicht unverzüglich (…) zugeht.

Declan vermischt das Recht auf Gegendarstellung, das dem Bürger gegenüber den Medien zukommt, mit staatlicher Einmischung in die Inhalte. Zudem erweckt er den Eindruck, dass die nicht gewählten „Bürokraten“ (Lieblingsschimpfwort!) des Europarats selbst entscheiden, was erscheinen soll oder nicht. Das ist natürlich Unsinn: Bevor etwas Gesetz wird, müssen auch in europäischen Ländern die jeweiligen Regierungen und Parlamente damit einverstanden sein.
Im Kern geht es um etwas unterschiedliche Werte diesseits und jenseits des Atlantik: Das Gegendarstellungsrecht ist in Europas Mediengesetzen allenthalben anzutreffen als Teil des Persönlichkeitsschutzes. Declan mag staatlichen Datenschutz als Bevormundung sehen und stattdessen voll und ganz auf private, technische Schutzmaßnahmen setzen. Aber aus diesem Perspektivenunterschied muss nicht gleich eine solch überhebliche und verzerrte Darstellung werden wie in der Überschrift: „Europa ‚rafft‘ das Internet nicht“.