WSIS: Papiere, Papiere

Warten auf einen Durchbruch.

WSIS-Fragezeichen „A need to continue a process towards an international management of the Internet“, „a need to initiate a process towards establishment of a new (…) Internet governance mechanism“ oder „a need for ongoing evolution of the existing framework“ — das ist immer noch die Frage in Tunis. Die erwünschten Eigenschaften des Rahmens oder Mechanismus (multilateral, transparenz, demokratisch) und die Akteure (Regierungen, privater Sektor, Zivilgesellschaft und internationale Organisationen) tauchen in allen Formulierungen wieder auf. Wolfgang Kleinwächter gibt bei Telepolis einen Einblick in das Ringen.

Nur kurz zum Thema Bürokratisierung: Das waren alles Auszüge aus den Alternativen für den Paragraphen 67 aus der Präambel in Kapitel drei, Sektion fünf des Papiers des Leiters des Unterausschusses A der wiederaufgenommenen dritten Vorbereitungskonferenz der zweiten Phase des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft, dritte Fassung — oder WSIS-II/PC-3/DT/15(Rev.3)-E, wie wir Kenner sagen. Es gibt bereits eine vierte Fassung des Papiers, aber noch nicht im Netz.

Nachtrag: Information für alle oder digitaler Graben? — ein Dossier von tagesschau.de zum Gipfel. Allerdings bin ich skeptisch, ob das „eigentliche Thema des Gipfels“ tatsächlich „der Zugang der Menschen in den Entwicklungsländern zu Informations- und Kommunikationstechnologien“ ist und von der Debatte um Internet Governance überschattet wird. Meiner Ansicht nach hat die ITU den Gipfel vor allem deswegen angestoßen, um die eigene Rolle bei der Internet Governance zu stärken. Das Thema Entwicklung ist da ein schöner Weg, die eigenen Qualitäten gegenüber ICANN zu unterstreichen. Schließlich hat die Organisation ja einen eigenen Arm ITU-D, der seine Existenz mit diesem Thema rechtfertigt.

WSIS in den Medien

Noch kein Kompromiss in Sicht.

WSIS-Fragezeichen Monika Ermert liefert bei Heise Online ein Update aus Tunis. Was sie schreibt, klingt nicht danach, als sei der WSIS-Gipfel einer Lösung näher. Den kursierenden Dokumenten und den Äußerungen des Tagungsleiters Masood Khan zufolge ist in Sachen Internet Governance allein eines einigermaßen sicher: das Forum, an dem alle Seiten beteiligt werden sollen, ohne bindende Entscheidungen treffen zu können und ohne bestehende Organisationen zu ersetzen.

Dem heutigen Spiegel ist der WSIS-Streit ein Artikel wert, der auch bei Spiegel Online zu finden ist. Schon die Überschrift macht deutlich, wohin die Reise geht: Online lautet sie „Wie die USA die Weltherrschaft im Web verteidigen“, auf Papier „www.wer-regiert-das-netz.de“ (die Domain gehört übrigens Kaffee Weltrevolution Online). Leser des DW-Interviews mit .de-Chefin Dolderer wissen es besser: Die angebliche Weltherrschaft könnte schnell zusammenbrechen, sollte die USA tatsächlich von ihr Gebrauch machen. Selbiges gilt für den SZ-Artikel Machtkampf ums Internet.

(Da ja auf dem jonet-Tag die mangelnde Meinungsfreudigkeit bemängelt wurde:) Die Gründe, die für den Status quo unter US-amerikanischer Weltherrschaft sprechen, überwiegen meiner Ansicht nach alles, was für eine führende Rolle der UN spricht. Man muss nicht gleich mit den Zensurbemühungen Irans oder Kubas kommen, es reicht schon die Intransparenz und Bürokratie des WSIS-Prozesses selbst. Vor allem wirkt die derzeit fragmentierte Internetverwaltung zumindest als System der „checks and balances“. Für die Internationalisierung sprechen hauptsächlich symbolische Gründe, für den Status quo hauptsächlich praktische Argumente — Gerede über die böse Weltherrschaft der USA hilft da nicht weiter. Die EU-Staaten haben einen äußerst schwammigen Kompromissvorschlag ins Gespräch gebracht, und das Spiegel-Interview mit EU-Medienkommissarin Viviane Reding macht noch einmal deutlich, wie schwammig das „neue Kooperationsmodell“ ist. Die Zeit arbeitet auf dem Gipfel eher für die USA. Außer dem Status quo — nicht das Schlechteste — wäre eine Einigung denkbar, die bei den Länderdomains die formale Aufsichtsrolle der Regierungen stärkt, aber im Alltagsgeschäft alles beim alten belässt.

Eine gründliche und intelligente Darstellung der Problematik liefert Kenneth Neil Cukier in Foreign Affairs, im Spiegel verzerrt als heftige Kritik an der US-Position dargestellt.

Auszug aus einem WSIS-Dokument Nachtrag: Einen kleinen Einblick in die Geschehnisse in Tunis liefert die Liste der Room Documents. Das Word-Dokument 18 zeigt die Gemeinsamkeiten, auf die sich eine informelle Arbeitsgruppe unter kanadischer Leitung bis heute einigen konnte. Noch markieren aber einige eckige Klammern im Text die umstrittenen Passagen.

WSIS: Kompromisssuche

Das Treffen in Tunis hat begonnen.

WSIS-Fragezeichen Endspurt beim Weltgipfel zur Informationsgesellschaft: Vom heutigen Sonntag bis Dienstag wird die unterbrochene dritte WSIS-Vorbereitungskonferenz (Resumed Prepcom-3) in Tunis fortgesetzt. Sie geht nahtlos in den eigentlichen Gipfel über, der von Mittwoch bis Freitag stattfindet. Neun Vorschläge zum umstrittenen Thema Internet Governance liegen auf dem Tisch. Falls es einen Kompromiss gibt, dann mit ziemlicher Sicherheit bei der Aufsicht über Änderungen für Länderdomains in der Rootzone — und ohne irgendeine Rolle für die UN-Organisation ITU.

Die ITU bietet einen Audio-Webcast für die Vorbereitungskonferenz, die Adresse für den Gipfel-Webcast selbst ist noch nicht auffindbar. Um Internet Governance geht es im Unterausschuss A (laut Zeitplan Sonntag 18-21 Uhr, Montag 9-12 Uhr und 16-19 Uhr, Dienstag 12-14 Uhr — aber solche Zeitpläne sind höchstens vage Anhaltspunkte).

Nachtrag: Mitglieder der WGIG-Arbeitsgruppe zu Internet Governance (mehr dazu) stellt in Tunis ihr Buch Reforming Internet Governance vor.

Noch ein Nachtrag: Steffen Leidel erklärt bei DW-World den Stand der Dinge und interviewt Denic-Chefin Sabine Dolderer, die von einem „sehr symbolischen Streit“ spricht.

WSIS: Zur Einstimmung

Vor dem Weltgipfel in Tunis.

WSIS-Logo mit Fragezeichen Monika Ermert: Der Kampf um die Macht ins Netz (11.11.)
Wolfgang Kleinwächter: Mit Volldampf nach Tunis (9.11.)
Spiegel Online: Das Ende von Icann als „Netzverwaltung“? (11.11.)
WSIS-Website der Heinrich-Böll-Stiftung
Offizielle ITU-Website zum Weltgipfel
Plattform WSIS-Online
DVGN/politik-digital: Gipfelthemen.de
ICANNWatch.org
Bret Fausetts Blog Lextext (mit Podcast)
Bisherige Wortfeld-Beiträge zum Thema WSIS

Spiegel Online und ICANNwatch berichten übrigens, die US-Regierung habe erklärt, sie wolle die IANA-Funktion erstmals öffentlich ausschreiben. (Das ist der technische Kern rund um die Rootserver-Eintragungen, derzeit unter ICANNs Fittichen). Allerdings hat eine Sprecherin des US-Handelsministerium erklärt, es gebe derzeit keine öffentliche Stellungnahme zu diesem Thema. Die technisch-verwalterische Arbeit der IANA ist unter Beschuss gekommen, ICANN hat bereits Besserung gelobt.

Domain-Détente?

Ein Kompromissvorschlag vor dem WSIS-Treffen.

GRSSSC

Die Zeit für eine Einigung im Streit über Internet Governance wird knapp: Am Sonntag starten die letzten Verhandlungen vor dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) — am kommenden Mittwoch beginnt bereits der Gipfel in Tunis. Während UN-Generalsekretär Kofi Annan versuchte, die Gemüter zu beruhigen, haben andere Öl ins Feuer gegossen: US-Senator Norm Coleman warnte im Wall Street Journal vor einem digitalen Münchener Abkommen — als stünde der digitale Weltkrieg vor der Tür.

Tricia Drakes und Michael Palage haben einen naheliegenden Kompromissvorschlag ausformuliert, der das besonders sensible Thema Länderdomains (ccTLDs) betrifft. Wenn beispielsweise die dänische Regierung entscheidet, dass die .dk-Domain von einer anderen Institution verwaltet werden soll, muss momentan das US-Handelsministerium den notwendigen technischen Änderungen zustimmen. Drakes und Palage schlagen ein doppeltes Veto vor: Bevor ICANN/IANA etwas an der Rootzone ändert, bekommen die betroffene Regierung (hier also Dänemark) und ein neues Governmental Root Server Security and Stability Committee (GRSSSC) Bescheid. Beide können ein Veto gegen die geplanten Änderungen einlegen. Allerdings könnte das GRSSC das dänische Veto überstimmen.

Das ist also ein verhältnismäßig einfache Prozedur, um die US-Rolle bei Länderdomains zu internationalisieren. Allerdings ist fraglich, ob sich die Gegner damit zufrieden geben: Schließlich gibt es ja noch generische Domains wie com/net/org und IP-Adressen.