Schatten und Licht

Kurz verlinkt.

Wäre der 1. April nicht schon so lange her, hielte ich diese energieeffiziente Farbpalette für einen Webdesigner-Scherz. Das neue Rezept zur Weltrettung also: Schwarzgoogeln. (via)

Während des Kommentars in den Tagesthemen wurde am Mittwoch erstmals Ki.Ka eingeblendet. Weil ja auch die zwölfjährige Carla Zeller aus Berlin kommentiert hat. (via)

Noch ein öffentlich-rechtlicher Link auf diesem nicht öffentlich-rechtlichen Privatblog: Das Medienmagazin Zapp ist fünf Jahre alt. Glückwunsch!

Darf ich das bloggen? Ein re:publica-Panel über Abmahnungen, Rechtsverletzungen in Blogs und Haftungsfragen mit Udo Vetter und Matthias Spielkamp zum Nachhören bei J!Cast. (via)

Schließlich die notwendige Portion Selbstreferentialität: Wie großartig es ist, wenn eine Diskussion nicht mit einem Artikel endet, sondern anfängt — wie hilfreich es ist, wenn der Autor und die Kommentatoren Dinge klarstellen, vor- und zurückrudern können — wie toll also Blogs sind, zeigt die Diskussion um den re:publica-Artikel von Martin Schöb, unter anderem auf seinem Blog.

Foto-Kopie

BBC lässt David-Cameron-Foto nachmalen.

Nicht jeder sieht gern ein 20 Jahre altes Foto von sich in der Zeitung. Erst recht nicht ein Gruppenbild mit anderen Mitgliedern eines Clubs superreicher britischer Studenten, der gezielt Lokale zerstört und den Schaden anschließend cash bezahlt. Jedenfalls dann nicht, wenn man wie David Cameron der nächste Premierminister von Großbritannien werden will.

Darauf nahmen die britischen Medien aber selbstverständlich keine Rücksicht — angeblich sollte das Gruppenbild der reichen jungen Herren sogar auf einem Labour-Wahlplakat landen. Die Inhaber des Copyrights, die Fotografen Gillman & Soame, haben eine weitere Veröffentlichung aber untersagt. Und natürlich ist es etwas anderes, von einem Bild nur zu erzählen, als es zu zeigen: Cameron mit der rechten Hand lässig in der Hosentasche, den Oberkörper leicht zur Kamera gedreht, aber mit einem superb-arroganten Blick in die Ferne, und dazu der königsblaue Frack im Wert von 1.000 Pfund Sterling. Die BBC-Sendung Newsnight hat daraufhin die Künstlerin Rona damit beauftragt, das peinliche Foto monochrom in Öl auf Leinwand festzuhalten. Statt der Fotografie zeigte Newsnight also The Bullingdon painting.

Originell, aber zumindest nach deutschem Urheberrecht nicht hieb- und stichfest: Die genaue Grenze zwischen selbstständigem Werk (auch ohne Einwilligung des Urhebers erlaubt) und bloßer Umgestaltung eines bestehenden Werks (nicht erlaubt) ist zwar häufig schwierig zu finden. In diesem Fall wirkt das Auftragsgemälde aber eher wie eine monochrome Kopie, Frackknopf für Frackknopf.

Exklusive Kehrtwende

Namen, Fotos und Äußerungen von Tatverdächtigen.

Ethik im Journalismus, Abteilung Praxis: Bei ihren Recherchen zur jüngsten Mordserie in Ipswich spricht die BBC-Radioreporterin Trudi Barber mit einem 37-jährigen Supermarkt-Angestellten, der die Ermordeten kannte und dessen Haus die Polizei bereits durchsucht hat. Der Mann ist bereit zu einem Hintergrundgespräch, aber nicht zu einem Interview für das Radio. Dem Boulevardblatt Mirror gibt er ein Interview und wird kurz danach festgenommen — unter dem Verdacht des fünffachen Mordes.

Soll die BBC das aufgezeichnete 36-Minuten-Gespräch trotz der vereinbarten Vertraulichkeit senden oder nicht?

Der Sender hat sich dafür entschieden, aber die im Blog nachgelieferte Begründung ist nicht sehr überzeugend. Fix vermischt sich das öffentliche Interesse mit der Neugier der Öffentlichkeit und der Freude am exklusiven Stoff. Der Großteil der Kommentatoren ist jedenfalls von der BBC enttäuscht.

(An dieser Stelle für eine Minute die Augen schließen und ausmalen, der Mann stelle sich am Ende als unschuldig heraus. Er kann vielleicht seinen überall vollständig genannten Namen ändern, aber die Fotos aus seinem MySpace-Profil sind längst in allen Zeitungen.)

Mittlerweile sitzt ein zweiter Mann in Untersuchungshaft, und die Polizei hat darum gebeten, keine Namen zu nennen. Ohne großen Erfolg: Auch der zweite Verdächtige wird zumindest von BBC, Times und Telegraph mit vollem Namen genannt (anscheinend nicht vom Guardian). Neben dem Schutz der Persönlichkeitsrechte gibt es für die eindringliche Bitte der Polizei nach englischem Recht einen zweiten guten Grund: Wenn die Geschworenen durch Medienberichterstattung beeinflusst werden, kann der Prozess platzen. Dem Medium droht sogar eine Verurteilung wegen Missachtung des Gerichts.

Und in Deutschland? Keine vollen Namen, keine Fotos, fordert der Pressekodex von Printmedien. „Die Nennung des vollständigen Namens und/oder die Abbildung von Tatverdächtigen, die eines Kapitalverbrechens beschuldigt werden, ist ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn dies im Interesse der Verbrechensaufklärung liegt und Haftbefehl beantragt ist oder wenn das Verbrechen unter den Augen der Öffentlichkeit begangen wird.“ Bei Anzeichen einer möglichen Schuldunfähigkeit ist nicht einmal das zulässig.

Foren-Haftung: Fehlalarm?

Angeblich erhöhte Maßstäbe an Heise Online.

Ewald Riethmüller schreibt bei R-Archiv, das vieldiskutierte Hamburger Urteil zum Heise-Online-Forum habe keine grundsätzliche Auswirkungen auf Webforen. Er beruft sich dabei auf den Anwalt der klagenden Partei Universal Boards, Bernhard Syndikus. Laut R-Archiv hat das Gericht erhöhte Maßstäbe an Heise Online angelegt, weil es sich um gewerbliches und gewinnorientiertes, presseähnliches Erzeugnis handelt, dass durch Kommentare unmittelbar zum Artikel ein besonderes Publikum anlockt.

Ob es sich tatsächlich um eine „Zeitungsente“ handelt, wie R-Archiv behauptet, lässt sich vermutlich erst entscheiden, wenn die Urteilsbegründung da ist.

Resozialisierung und Google

Was ist im Zeitalter von Google eigentlich noch Folgeberichterstattung?

Der „Soldatenmord von Lebach“ ist in die deutsche Rechtsgeschichte eingegangen: 1973 stoppte das Bundesverfassungsgericht die Ausstrahlung eines sendefertigen ZDF-Fernsehspiels über den Überfall auf ein Bundeswehr-Depot, bei dem vier Soldaten getötet wurden. Die „nicht mehr durch das aktuelle Informationsinteresse gedeckte Fernsehberichterstattung“ sei unzulässig, wenn sie die Resozialisierung des Täters gefährde (BVerfGE 35, 202). 1999 entschieden die Verfassungsrichter, Sat.1 dürfe einen Fernsehfilm über den Soldatenmord senden, in dem die Täter (anders als im früheren Fall) für Außenstehende nicht identifizierbar waren (1 BvR 348/98).

Was ist im Zeitalter von Google eigentlich noch Folgeberichterstattung? Namensnennungen in Rundfunk und Printmedien sind — mit wenigen Ausnahmen wie Archive und Aufzeichnungen — vergänglich, im Internet sieht das anders aus: Für den vollen Namen des mutmaßlichen „Sasser“-Urhebers gibt es nicht nur eine fünfstellige Google-Trefferzahl (das ist jetzt nicht als Maßstab für Relevanz aufgeführt, sondern als Maßstab für Auffindbarkeit). Für den vollen Namen gibt es sogar einen Eintrag in der deutsch- und der englischsprachigen Wikipedia. Und dabei ist er vermutlich bis einschließlich morgen nicht verurteilt und steht vor einer Jugendkammer. (Zur Erinnerung: Es gibt eine Richtlinie des Presserats für Berichte über Strafverfahren gegen Jugendliche, die besagt, dass „die Presse mit Rücksicht auf die Zukunft der Betroffenen besondere Zurückhaltung üben“ soll.)

Ich weiß, dass manche Online-Redaktionen Artikel „auf Wiedervorlage setzen“, also nach einer Weile prüfen, ob eine Meldung nicht wieder verschwinden sollte. Andere versuchen, von vornherein so zu berichten, dass die Meldung eine Person nicht identifizierbar macht — mit Ausnahme von bereits öffentlich bekannten Personen. (Nebenbei frage ich mich, welchen Gewinn ein Leser davon hat, den vollen Nachnamen selbst eines verurteilten Verbrechers zu kennen.)