Lufthoheit

Ein Flugverbot gegen Kameradrohnen.

Surrend schwebt die kleine Kameradrohne über Lærdal im Südwesten von Norwegen: Wackelige Schwenks in der Luft zeigen, wie ein Feuer reihenweise historische Holzhäuser in qualmende Brandruinen verwandelt hat. „Das Ausmaß der Katastrophe“, um einen typischen Journalistenausdruck zu nehmen, machen diese Drohnenbilder sehr deutlich. Aus Sorge um die eigenen Rettungshubschrauber hat die Polizei daraufhin ein Flugverbot verhängt. In den norwegischen Medien wird deshalb jetzt ein wenig über die fliegenden Beobachter debattiert.

Drohnenaufnahmen aus Lærdal

Das Boulevardblatt VG und der Privatsender TV2 haben die Drohnenaufnahmen nicht selbst gemacht, sondern von Privatpersonen gekauft. Die Bilder seien vor dem Flugverbot entstanden, sagen Vertreter beider Medien Journalisten.no. Sowohl TV2 als auch der öffentlich-rechtliche NRK haben zwar eigene Kameradrohnen, aber natürlich ist die Wahrscheinlichkeit immer höher, dass gerade jemand anders mit Fluggerät am Ort des Geschehens ist.

Selbstverständlich gibt es auch in Norwegen dafür Vorschriften — für Modellflugzeuge als Hobby, für unbemannte Fluggeräte zu kommerziellen Zwecken und zusätzlich für Luftaufnahmen. Wer seine Drohnenbilder an Medien verkauft, braucht rechtlich gesehen eigentlich zwei Lizenzen und eine Versicherung. Und praktisch gesehen können sich auch die Drohnen-Enthusiasten bei NRKbeta ausmalen, „was passiert, wenn ein Hubschrauber ein ferngesteuertes, fliegendes Zwei-Kilo-Dings in den Heckrotor bekommt oder ein Flugzeug mitten in die Frontscheibe“.

Passiert ist diesmal nichts: Das Flugverbot war eine Vorsichtsmaßnahme und die Drohnen haben die Rettungs- und Löscharbeiten nicht behindert. Also eigentlich eine gute Gelegenheit, in Ruhe über den Gebrauch von Kameradrohnen in solchen Fällen nachzudenken. Natürlich sind sie gekommen, um zu bleiben: Es geht nicht mehr ums Ob, sondern ums Wie.

Dass Medien, die eigene Drohnen betreiben, erfahrene und sicherheitsbewusste Menschen an die Fernbedienung lassen, sollte klar sein. Natürlich sollten auch keine Aufnahmen angekauft werden, bei denen Drohnen beispielsweise über die Köpfe von Menschen fliegen. Aber sobald Amateur-Luftaufnahmen eines spektakulären Ereignisses auf YouTube auftauchen, wird es MedienmacherInnen vermutlich schwer fallen, darauf zu verzichten.

Mehr zum Thema:

 

Norwegian Wood

Zwölf Stunden Brennholz im norwegischen TV.

Das Fernsehprogramm des norwegischen Kanals NRK 2 am Freitagabend und Samstagmorgen:

20:05-0:00 Nationaler Brennholzabend (live). Menschen, um genau zu sein: Norweger, fällen Bäume, hacken und schleppen Brennholz. Zum Auftakt ein Gespräch mit dem Schriftsteller Lars Mytting, dessen Buch über Brennholz 150.000 Mal verkauft wurde. (Es gibt fünf Millionen Menschen in Norwegen.) Es wird gesägt und der Unterschied zwischen den Sägen erklärt, dann wird ein Lied auf einer singenden Säge gespielt. Ein Saxofonist erklärt, dass ein Saxofon ein Holzblasinstrument ist. Zwei Gruppen stapeln Brennholz. Eine Schornsteinfegerin untersucht einen Ofen. Es werden Äxte und Motorsägen vorgestellt, es wird auf und mit Baumstämmen getrommelt, die Säge gebogen und Saxofon gespielt, später kommt eine Motorsäge als Rhythmusinstrument dazu. Dann beantworten Holz-Experten eine Zeitlang Fragen. Menschen hacken auf große Baumstämme ein. Verschiedene Holzstapelmethoden werden vorgestellt, dann geht es um verschiedene Brennholzmaße. Die Gruppen, die Brennholz gestapelt haben, singen am Lagerfeuer ein Holzlied. Mit einer Motorsäge werden die Buchstaben NRK 2 ausgesägt. Umweltfreundlichere Holzöfen werden vorgestellt, dann kommt wieder die singende Säge. Zum Abschluss der vierstündigen Live-Sendung wird ein Gedicht über frisches Brennholz rezitiert.

Brennholz im Kamin auf NRK 2

0:00-8:00 Nationale Brennholznacht und Nationaler Brennholzmorgen (live). Im Kamin brennt ein Feuer. Ab und an kommt ein thematisch passendes Gedicht oder Musikstück, dann prasselt wieder nur das Feuer.

Nachtrag: Bark Up or Down? Firewood Splits Norwegians (New York Times)

Nachtrag: (danke, Torsten!)

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The Colbert Report: Norway’s National Firewood Night

Verpasst

Dinge, die aus Mediatheken verschwinden.

Auf die Frage, warum Sendungen aus Mediatheken wieder verschwinden oder — die meisten Spielfilme zum Beispiel — dort nie landen, hat man als öffentlich-rechtlicher Onliner in Deutschland eine kurze, aber unschöne Antwort parat: Rundfunkstaatsvertrag. Der schreibt Verweildauern und Telemedienkonzepte mit Verweildauern vor, der verbietet angekaufte Spielfilme und Serien in den Mediatheken.

Und woanders? Als öffentlich-rechtlicher Onliner in Norwegen ist die Antwort ebenfalls unschön, aber dafür lang und kompliziert. Die Kollegen vom norwegischen Rundfunk haben im sehr geschätzten Blog nrkbeta.no probiert, das alles einmal zu erklären und sogar noch zu erzählen, warum das so ist, wie es ist. Sie haben dafür 16.000 Zeichen gebraucht.

Dass aus der NRK-Mediathek Nett-TV etwas herausfliegt, liegt dort nicht an Gesetzen. Es liegt manchmal daran, dass vor dem Internet logischerweise niemand Onlinerechte in die Verträge geschrieben hat. Eine nachträgliche Rechteklärung ist manchmal kaum möglich, manchmal auch einfach zu teuer. Manchmal liegen die Rechte nicht vor, weil NRK die Sendung von einer externen Firma gekauft hat oder weil es eine Lizenzausgabe einer ausländischen Sendung ist und die Verträge nur einen Monat Online-Verweildauer vorsehen. Und richtig komplex wird es, wenn es um Spielfilme und Serien geht. Ist es eine große Studio- oder eine Indie-Produktion? Erst nach dem dreimonatigen Blackout-Fenster nach dem zwölfmonatigen Pay-TV-Fenster nach dem zehnmonatigen DVD-Fenster ein halbes Jahr nach dem Kino-Start ist Free TV dran. NRK kauft dann beispielsweise das Recht, binnen vier Jahren einen Film zweimal zu zeigen, mit Wiederholung binnen sieben Tagen, und dann beim ersten Mal den Film 30 Tage im Netz anzubieten. Alles Weitere kostet extra.

Es gibt also offenbar kein Gesetz, das NRK davon abhalten würde, die Onlinerechte für Hollywood-Filme auch für längere Zeit zu kaufen und die Filme im Nett-TV zu zeigen. NRK macht es nicht zuletzt aus finanziellen Gründen nicht. Was auch daran liegt, dass die meisten Mediatheks-Nutzer Sendungen nachschauen, nachdem sie gerade gelaufen sind.

(„Dann stellt doch einfach alles unter Creative Commons“ ist, zumindest heutzutage, nur eine Option für einen Bruchteil dessen, was im Fernsehen zu sehen ist, aus ähnlichen Gründen. Etwas unter Creative Commons stellen kann nur der Urheber, und das ist in vielen Fällen eben nicht der Fernsehsender.)

Auf nrkbeta.no endet der Artikel so: „Mit anderen Worten: Es liegt im Großen und Ganzen nicht in der Macht und/oder den finanziellen Möglichkeiten von NRK, Euch alles, was gesendet wird, für alle Zeit im Nett-TV zu geben. Aber es werden einige Gedanken gedacht und es passieren Dinge. Mehr dazu später.“ Ich bin gespannt.

(Transparenzhinweis: Ich kümmere mich beim NDR unter anderem um die Mediathek, das hier ist aber mein privates Blog.)

Oslo/Utøya

Der 22. Juli in Norwegen.

Das norwegische öffentliche-rechtliche Fernsehen NRK liefert seit gestern Nachmittag eine Glanzleistung: Ohne Unterbrechung berichten die Redakteure und Reporter in einer Sondersendung über den schwärzesten Tag in Norwegens Nachkriegsgeschichte. Wer die Breaking-News-Arien amerikanischer Sender kennt, muss NRK hohen Respekt für die Ruhe und Ernsthaftigkeit zollen, mit der das Fernsehen berichtet. (Derzeit ist der Livestream auch fürs internationale Publikum zu sehen.)

Ich habe schon auf Google+ meinen persönlichen Helden gelobt: Tore Bjørgo, Politikwissenschaftler an Norwegens Polizeihochschule mit Spezialgebiet Terrorismus. In den NRK-Hauptnachrichten um 19 Uhr sagte er, dass Terroristen ja versuchen, so viel Angst zu verbreiten, dass sich eine Gesellschaft selbst verletzt. „Wir sind es, die bestimmen sollten, in welchem Land wir leben.“ „Es liegt an uns, welche Konsequenzen das hat“.* Das sagte er wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, an dem noch niemand wusste, ob eine Einzelperson oder eine Gruppe hinter den Anschlägen steckt und die internationalen Medien überwiegend über einen islamistischen Hintergrund spekulierten.

Heute morgen ist das Fernsehen noch ruhiger. Auf die Idee, Katastrophen-Trailer zu produzieren oder die schlimmsten Bilder mit Musik zu unterlegen, ist NRK nicht gekommen. Ab und an wird gezeigt, wie der Rest der Welt reagiert, z.B. CNN:

CNN-Bildschirm: Norway Attacks mit norwegischer Flagge

Viele große Medien haben ihr Hauptquartier im Osloer Regierungsviertel. Die Mitarbeiter von TV2, VG, Aftenposten und der Nachrichtenagentur NTB mussten ihre Gebäude verlassen. VG hat dann das Webangebot und die meistgelesene Zeitung des Landes aus einem Osloer Hotel produziert, mit hastig gekauften Computern. Auch eine ziemliche logistische Meisterleistung.

Die Reaktion des offizielle Norwegen ist ein kleiner Trost. Ministerpräsident Stoltenberg erklärt mehr Demokratie, mehr Offenheit zur Antwort auf den Terror. Kein Versuch, mit erhöhten Terrorwarnstufen für Pseudo-Sicherheit zu sorgen. Es sieht zumindest am Tag danach so aus, als wenn sich die norwegische Gesellschaft nicht selbst verletzt.

*Nachtrag vom 29.7.: Die NRK-Abendnachrichten vom Anschlagstag sind jetzt online, dann kann ich die Äußerungen von Tore Bjørgo jetzt wörtlich aufschreiben. „Das Kennzeichen von Terroraktionen ist ja, dass Terroristen versuchen, Angst zu erzeugen und Reaktionen hervorzurufen, so dass sich die Gesellschaft selbst schadet. Und deshalb ist es sehr wichtig, dass nicht die Gesellschaft auf so eine Weise reagiert, wie die Terroristen es wünschen, und das ist eine große Aufgabe sowohl für die Politiker als auch für die Zivilgesellschaft, dass man Ruhe und Besonnenheit bewahrt und nicht die Terroristen bestimmen lässt, was für eine Gesellschaft wir haben sollen. Wir sind es, die bestimmen sollen, was für eine Gesellschaft wir haben wollen. […] Es liegt an uns, welche Konsequenzen wir daraus ziehen wollen.“ („Det som er kjennetegnet ved terroraksjoner er jo at terrorister forsøker å skape frykt og skape reaksjoner slik at samfunnet skader seg sjøl. Og derfor så er det veldig viktig at ikke samfunnet reagerer på en slik måte som terroristene ønsker og det er en stor oppgave både for politikerne og for det sivile samfunn at man bevarer roen og sindigheten og ikke lar terrorister bestemme hva slags samfunn vi skal ha. Det er vi som skal bestemme hvordan vi skal leve i dette landet, og da må man sørge for at man i størst mulig grad greier å bevare det samfunnet vi vil ha. […] Det er opp til oss hva slags konsekvenser vi vil dette skal ha.“)

Taxbook

Wie reich sind meine Facebook-Freunde?

Wenn es eine Facebook-Applikation gäbe, um zu schauen, wie reich die eigenen Freunde/Kontakte sind, würde man sie nutzen?

Für Deutsche ist das eine eher hypothetische Frage, aber im transparenten Norwegen veröffentlicht der Staat die Einkünfte und Steuerzahlungen seiner Bürger. Die Steuerlisten, schon seit Jahren im Netz, haben es längst auch auf soziale Netzwerke geschafft. Der Privatsender TV2 und die Zeitung Dagbladet nutzen in diesem Jahr Facebook Connect (hier und hier), um Einkommen, Vermögen und Steuern darzustellen. Schon vor zwei Jahren hatte Nettavisen.no eine Facebook-Applikation entwickelt, mit der Norweger auf einen Blick sehen konnten, wer der vermögendste ihrer Freunde ist.

(Gefunden über das Blog NRKbeta des öffentlich-rechtlichen NRK. Auf dessen Steuer-Sammelseite gibt es neben der üblichen Personensuche auch Tabellen der reichsten Postleitzahl-Bezirke, die 100 reichsten Frauen, das Vermögen nach Geburtsjahrgang und — natürlich! — Artikel über Einkommen und Vermögen Prominenter.)