Tag zwei

Eindrücke von den Panels auf der next09.

Future of Television: Ein spannendes Panelthema, bei dem aber die Firmen der Referenten (Stacey Seltzer/Joost und Darren Devitt/Vuze) selbst noch sehr auf der Suche sind. Joost hat als P2P-Software begonnen und ist 2008 auf Flash-Webvideo umgestiegen; Vuze hat als P2P-Software angefangen und will bald auch Streaming anbieten. Solange es um Premium-Inhalte geht, die nirgends sonst zu finden sind, haben Applikationen eine Chance — aber es gibt ja nicht nur legale Quellen (Seltzer: „If the content producers don’t bring it to the net, the pirates will.“). Angeblich sollen die neuen Fernseher, die zum Weihnachtsgeschäft 2009 herauskommen, das Netz besser integrieren; andererseits gibt es diese Ankündigung doch schon seit Jahren. Devitt: „I don’t see a massive change in TV behaviour for the next couple of years yet.“

Collaborative Superstars: Maria Sipka (Linqia) erläutert, wie Unternehmen, die Communities zur Verkaufsförderung planen, diese professionell planen sollten. Ein bisschen Handwerkszeug für Leute, die so etwas machen wollen, aber auch ein bisschen viel Naivität: Was ist daran großartig, dass Procter & Gamble den Großteil seiner Communities nicht mit seinem Branding versieht? Das geschieht doch nicht aus Schamhaftigkeit, sondern weil es die Verkaufsabsichten verschleiert.

Building post-modern Web Applications

Der Vortrag von Malte Ubl (SinnerSchrader) war für mich (auch als Nicht-Webentwickler) ein Highlight der next09. Ein Blick auf die viele Ecken und Enden, an denen derzeit die Möglichkeiten des Webs wachsen, und was das für die Entwicklung bedeutet: Weg vom Webseiten-Denken, vielleicht zurück zu dem, was „some old people“ schon wussten über Rich Client Applications. Wie kann, wie muss eine Web-Anwendung aussehen, wenn sich die Reaktionszeiten drastisch reduzieren, wenn der Browser Daten lokal speichern kann und immer weiß, wo der Nutzer gerade ist?

How to open the World Economic Forum: Matthias Lüfkens vom WEF schildert, wie das Forum beispielsweise YouTube nutzt, um das Treffen in Davos zugänglicher zu machen — das hieß 2008 „The Davos Question“, 2009 The Davos Debates. Selbstverständlich ist es ein schöner Service, wenn Pressekonferenzen live gestreamt werden sollen und auf YouTube Frage-Antwort-Spiele stattfinden. Klar ist aber auch, dass der Sinn des Treffens nicht zuletzt darin besteht, dass der Kern — die Gespräche — für die Außenwelt intransparent bleibt, da er unter die Chatham House Rule fällt.

Kostenlos und keine Zukunft: Klaus Madzia beginnt mit einer pessimistischen Prognose — 90 Prozent der Kostenlos-Geschäftsmodelle überleben nicht überleben — und macht eine Viertelstunde lang so weiter. Geringe Margen, extreme Konkurrenz, junge markenmobile Zielgruppe — alle potenziellen Geschäftsmodelle sind seiner Ansicht nach chancenlos. Spiegel Online? Subventioniert durch die Traditionsmarke Spiegel. Blogger? Verdienen ein besseres Taschengeld. Kaum jemand sei bereit, für Printmedien noch Geld auszugeben. Allenfalls einer Kombination aus Print- und Online-Gratismedium gibt Madzia eine Chance, aber auch das nur sehr vorsichtig. Am Ende stellt Madzia die für ihn entscheidende Frage: „Wie schaffen wir es, recherchierende Journalisten zu bezahlen?“, ohne darauf selbst eine Antwort oder auch nur Ansätze dazu anzubieten. Moderator Thomas Knüwer zieht am Ende ein kurzes eigenes Fazit: Verleger und TV-Macher sollten nicht nur auf ihre eigenen Kongresse gehen. Diejenigen, die klassische Medien produzieren und leiten, beschäftigen sich viel zu wenig damit, wie das Internet ihre Welt verändert, sagt Knüwer. Guter Punkt, leider, immer noch.

Open Media: Ian Forrester (backstage.bbc.co.uk) und Robert Amlung (ZDF Neue Medien) haben Spannendes berichtet über die Schwierigkeiten, die Public Service Broadcaster haben, wenn sie sich dem Publikum und neuen Plattformen öffnen. Es ist gar nicht so sehr die Grundsatzfrage — machen oder nicht machen –, sondern die Umsetzung, die nicht so einfach ist. Eines der Dauermissverständnisse ist ja, dass die Rundfunkanbieter immer die Rechteinhaber sind und damit frei entscheiden können, was sie mit dem Material machen. Aber selbst wenn sie es sind: Wie steht der Anbieter zu dem, was der Nutzer aus dem Material macht? Angesprochen wurde auch die Frage, ob und wie das Material auf anderen, fremden Plattformen präsentiert werden soll. „Spreading is easy“, so Forrester, „the strength of the relationships you have is important“. Einig waren sich Forrester und Amlung, dass das für TV-Anbieter ein großer Lernprozess ist: Nicht mehr nur senden, sondern auch empfangen; nicht mehr nur One-to-many-Kommunikation, nicht mehr nur ein fertiges, perfektes Endprodukt vorzeigen. Nebenher habe ich meine Hoffnung auf eine baldige kostenpflichtige internationale Version des BBC iPlayers übrigens nahezu begraben: Viele Rechteinhaber sind anscheinend sehr, sehr zurückhaltend. [An dieser Stelle mal wieder der Transparenzhinweis: Mein Arbeitgeber ist der NDR, dies ist mein privates Weblog.]

The Social Media Revolution – Audience Networks, Community, and Brand Building: Axel Schmiegelow (sevenload) und Jeremy Allaire (Brightcove) haben das Panel genutzt, um bekannt zu geben, dass ihre Firmen kooperieren wollen. Auch die beiden scheinen davon auszugehen, dass es mit dem interaktiven Fernseher diesmal etwas wird: Die bisherigen Versuche, die alle noch im Kopf haben, waren an spezifische Plattformen gebunden und hatten keinen Rückkanal; das Fernsehen der Zukunft werde stärker dem Web ähneln, mit einer großen Auswahl, Such- und Organisationsmechanismen. Beide stellten YouTube als Marketingplattform dar, die Nutzer in die Richtung der Plattformen lenkt, wo die Videoinhalte monetarisiert werden (Beispiel: YouTube-Konkurrent Hulu hat einen der erfolgreichsten Kanäle auf YouTube). Aber wer will schon Google als direkten Konkurrenten darstellen?

Und zum Abschluss noch ein Highlight: der Dirigent Itay Talgam! (Video)

Itay Talgam auf der next09

Andere über die next09:
Felix Schwenzel: erster Tag, zweiter Tag
Thomas Knüwer: Next09 wie Next08/15
Holger Schmidt: Next09: „We are what we share“
Jan Tißler: Jeff Jarvis und Umair Haque: Zwei Visionäre und das liebe Geld
Sven Dietrich: Next vs. Re-publica
Dirk Kirchberg: Die next(e) bitte!
Nico Lumma: Next09 – das war’s*
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Mehr Zugang

Jeff Jarvis auf der next09.

So viel Überraschendes hat Jeff Jarvis in seinem Eröffnungsvortrag der next09 gar nicht gesagt, wenn man ihm und seinen Seelenverwandten schon eine Weile zugehört hat. Seine Tour-Präsentation, in der er die Erkenntnisse aus „What Would Google Do?“ zusammenfasst, hat mehr Tiefe als die Powerpoint-Gliederung erahnen lässt, und Jarvis ist ein erfahrener, humorvoller Redner.

Im Gespräch mit dem Publikum kommt die Rede am Ende auf die Zukunft der Medien, und da ist Jarvis zumindest ein bisscher optimistischer als Clay Shirky. Er glaubt, er hofft, dass es eine Nachfrage nach Nachrichten geben wird, dass es ein Gemisch geben wird, in dem auch öffentlich mitfinanzierte Journalisten und Freiwillige ihre Rolle spielen.

Und in einem hat er absolut recht: Selbst wer nicht das Ende der Medien as we know it kommen sieht, sollte sich darum kümmern, dass die Chancen für öffentliche Kontrolle politischen Handelns wachsen. „Demand that government data is searchable and linkable“, sagt Jarvis. In die Praxis übersetzt heißt das aus meiner Sicht vernünftige Schnittstellen, offene Formate, viel mehr zugängliche Daten, Online-Sitzungsprotokolle und Sitzungs-Livestreams von allen möglichen öffentlichen Gremien — nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Ländern und Kommunen. Wer die Forensoftware ächzen sieht, die der Bundestag als E-Petitionsplattform missbraucht, weiß: Leicht wird das nicht.

Mehr Jeff Jarvis:
Blog Buzzmachine
Podcast Guardian Media Talk USA
Artikel in der Huffington Post
Artikel im Guardian
Interview bei Spiegel Online
Interview bei WiWo.de
Video-Interview bei Zeit Online
Video-Interview bei TechCrunch

What's next?

Vor der next conference in Hamburg.

Für die next09 gibt es nun also einen Sevenload-Videokanal, ein Miki (klingt zwar wikiesk, ist aber nur eine Flash-Broschüre zum Seitwärtsscrollen), eine Twitterwall, ein SpeakerRate-Bewertungssystem, eine Community bei Facebook und eine Xing-Gruppe. Vielleicht doch etwas zu viel für eine anderthalbtägige Konferenz?

Andererseits ist der Sched.org-Veranstaltungsplaner ebenso praktisch wie vergnüglich: Neuntbeliebtestes Event ist derzeit die Kaffeepause am Mittwoch um halb elf. Das hier ist mein Schlachtplan. Ich kann ja schließlich schlecht eine Internetkonferenz vor der Haustür verpassen.

(Bei der Gelegenheit: What’s next?)

Wirmedien-Konferenz

Berichte aus London von We Media 2006.

Ausschnitt aus Dan Gillmors Buch We the Media Bei onlinejournalismus.de berichtet Matthias Spielkamp von der zweitägigen WeMedia-Konferenz aus London: über das Panel The Power of Trust (dazu auch die erwähnte Befragung), die Diskussion mit Kofi-Annan-Sonderberater Nitin Desai und die Rolle von SMS in Asien (nicht zu vergessen: die Rolle von Anzugträgern mit Mikrofongewalt bei Konferenzen).
Mehr zum Thema: