Reportermut

TV-Film über chinesische Blog-Journalisten.

Unbequem und unbestechlich heißt der Film von ARD-Auslandskorrespondent Jochen Graebert über Blog-Journalisten in China, der am Montag um 21.00 Uhr im Ersten läuft. Eine sehenswerte Kostprobe daraus gab es am Mittwoch im NDR-Medienmagazin Zapp: Graebert begleitet den Web-Reporter Xu Xiang bei dessen Recherchen über Missstände in der Provinz Shandong (Video und Manuskript).

Ein Artikel von 2007 zeigt, dass Xu und einige andere Kollegen ein ungewöhnliches Geschäftsmodell haben: Betroffene bezahlen sie für den investigativen Einsatz — Muckrakers for Hire nennt das die Washington Post. Wer den Film über Xu gesehen hat, wird sich allerdings davor hüten, das zu belächeln.

Nachtrag: Der Graebert-Film bekommt eine begeisterte Rezension von Michael Hanfeld in der FAZ vom Montag: „sensationell“ und „hammerhart“.

(Transparenzhinweis wie immer: Zu meinen Arbeitgebern zählt der NDR.)

Mahjong

Chinesische Gegenwartskunst in Hamburg.

Vorurteil eins: Chinesische Kunst ist das, was in China-Restaurants an der Wand hängt. Vorurteil zwei: Chinesische Gegenwartskunst sieht so aus wie Andy Warhols Mao-Porträts.

Yue Min Jun, 2000 A.D., in der Galerie der Gegenwart

Ich war jetzt das dritte Mal in der Ausstellung mahjong, die noch bis zum 18. Februar in der Hamburger Kunsthalle (Galerie der Gegenwart) gezeigt wird. Ein dringender Rat — Besucher sollten Zeit mitbringen, weil es sich außerordentlich lohnt. Wer sich mit Audioguides versteht, bekommt übrigens einen kostenlosen an der Garderobe.

Mit den Originalgemälden für Propagandaposter startet die Ausstellung zwar chronologisch am Anfang, weiter geht es aber mit der Gruppierung nach Themen: etwa die Auseinandersetzung mit der Ein-Kind-Familie, mit dem Verhältnis von Individuum und Masse, der Konsumwelt oder der Verstädterung.

Die Bandbreite der von Uli Sigg gesammelten Werke ist enorm: von großflächigen, unscharfen, beunruhigenden Gemälden, die zugleich an Überwachungskameras und an Werke Gerhard Richters erinnern, bis zur in 2.200 kleinen Tonfiguren nachgestellten Militärparade auf dem Platz des Himmlischen Friedens, bei der am Anfang chinesische Soldaten aus dem Jahre 1949 marschieren und am Ende Außerirdische. Eine Sammlung chinesischer Avantgarde, die ihresgleichen sucht.
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Sack Reis umgefallen

China spaltet das Internet – doch nicht.

Im Netzwelt-Ticker schreibt Matthias Kremp bei Spiegel Online, dass die britische Zeitschrift PC Pro darüber berichtet, dass die chinesische People’s Daily Online vermeldet, dass China ein eigenes Domainnamensystem einführt. „Spaltet China das Internet?“, fragt Spiegel Online besorgt und bezeichnet dabei die Netzverwaltung ICANN fälschlich als Unternehmen.

Der chinesische Schritt stelle nun „vor allem die Betreiber von Name-Servern, die quasi den Verkehr im Internet leiten“ vor Probleme, weil diese nun „chinesische .com-Domains von solchen im Rest der Welt“ unterscheiden müssten, zitiert Spiegel Online aus der PC Pro.

Zeit für ein kleines Quiz für die sprachkundigen Wortfeld-Leser. Welche dieser beiden .com-Domains ist wohl die chinesische:

example.com 中国互联网络信息中心.公司

Erkannt? War doch gar nicht so schwer! (Tipp: Auch die Domainendung ist in chinesischen Schriftzeichen.)

Mit Spaltung des Internets hat der chinesische Schritt nichts zu tun, und es ist wohl auch kaum eine Reaktion auf das Dauer-Hickhack beim Weltgipfel zur Informationsgesellschaft. Schließlich hat die chinesische Länderdomainverwaltung CNNIC das nicht nur bereits im November 2004 angekündigt, sondern im März 2005 mit der Registrierung solcher Domains begonnen.

Wer sich dennoch für diese Nicht-Neuigkeit interessiert, kann — eher etwas für Spezialisten — bei Milton Mueller weiterlesen.

In der düsteren Welt der Gangmaster

Der Guardian über Menschenhandel mit chinesischen Einwanderern.

Anfang Februar sind 20 Muschelsucher (engl. cockler) vor der Nordwestküste Englands ertrunken. Sie gehörten zu einer Gruppe chinesischer Einwanderer ohne Papiere, die Menschenhändler zu Niedrigstlöhnen ausbeuten. In der Samstagsausgabe des Guardian berichtet Hsiao-Hung Pai, wie sie sich unter falschem Namen in diese Welt der modernen Sklaverei begeben hat: Eine traurige Geschichte von Bestechung, Ausbeutung und Sklavenarbeit im Europa des 21. Jahrhunderts.
Inside the grim world of the gangmasters: (Teil 1) (Teil 2)