Stille Post

Nachrichtensammler sorgen für Aktienabsturz.

Schritt eins:
In der Nacht zum Sonntag gelangt ein Artikel aus dem Jahre 2002 plötzlich wieder in die Liste der am häufigsten gelesenen Artikel des South Florida Sun-Sentinel — und landet damit in einer Box auf der Startseite der Zeitung. Der Artikel, den die Zeitung von der Chicago Tribune übernommen hat, vermeldet die damalige Insolvenz von United Airlines.

Schritt zwei:
Der Bot von Google News schaut sich die Website des Sun-Sentinel an und findet einen neuen Artikel, der keinen Zeitstempel enthält. Google versieht ihn mit dem Datum 6. September 2008.

Schritt drei:
Ein Analyst von Income Securities Advisors entdeckt den Artikel bei Google News und schickt am Montag eine Zusammenfassung über das Bloomberg-Terminal, das auf den Schreibtischen der Aktienhändler steht.

Schritt vier:
Die Aktie von United Airlines fällt um 76 Prozent (Grafik bei Fefe), unter anderem weil beim Kurssturz automatisch Programme einsetzen, die mit Aktienverkäufen die Verluste begrenzen. Der Handel wird für mehr als eine Stunde ausgesetzt.

Lektion:
Jeder Artikel braucht ein Datum, und zwar auf der ersten Bildschirmseite und bei der Suchtrefferanzeige.

(Quellen und Details: New York Times, Chicago Tribune, Google News Blog, Wired)

Ökosystem City

Ein Ex-Broker berichtet.

Vorläufer der heutigen Londoner Wertpapierbörse sind zwei Kaffeehäuser, Jonathan’s und Garraway’s: Dorthin mussten die Aktienhändler ausweichen, weil sie sich an der Royal Exchange rüpelhaft benommen hatten. Das war 1698. Der lange Bericht Tricks of the traders eines anonymen Ex-Brokers im Guardian liest sich so, als wenn seither in Sachen Ethik nicht viel passiert ist.

Foto: (CC) Paul Downey

Fundamental

Penny-Stock-Spammer mit Chartanalyse.

Noch bevor die T-Aktie dafür sorgte, dass plötzlich fast alle über X-lastige Begriffe wie Xetra-Dax und Nemax redeten, habe ich immer mal wieder Telebörse, dereinst auf Sat.1, gesehen. (Flashback? Intro von 1992 mit Bernhard Jünemann.) Hans-Dieter Schulz hieß der Chartanalyst, der im Studio Schulter-Kopf-Schulter-Formationen, Widerstandslinien und Trendkanäle in die Kursverläufe einzeichnete. Danach schaltete der Moderator wieder zu Friedhelm Busch, der vor der Dax-Tafel stand und unter Verweis auf „die fundamentalen Daten“ die Chartanalyse verspottete.

An den längst pensionierten Friedhelm Busch musste ich bei der Aufforderung per Spam-Mail denken, ich möge doch in die Aktie der insolventen CargoLifter AG investieren. Der spammende Chartspezialist schrieb dazu: „Der erste Ausbruch erfolgte vor einigen Tagen. Nun ist aus charttechnischer Sicht mit einem erneuten Rebound zu rechnen, da die Aktie schon vor einer Woche extrem angezogen hatte.“ Mutiges Vier-Wochen-Ziel: 3,50 Euro.

Abschließend ein Blick auf den CargoLifter-Chart der vergangenen vier Jahre:

CargoLifter-Chart mit aktuellem Kurs von 0,08 Euro und Kursziel von 3,50 Euro