Letzte Drahtmeldungen

Nachrichten ohne Agentur vor über 80 Jahren.

Aus aktuellem Anlass:

Gerade las ich, wie die Norag (der Vorläufer des NDR) Mitte der 1920er-Jahre ihre einzige Nachrichtensendung „Letzte Drahtmeldungen“ kostengünstig und ganz ohne Drahtmeldungen produzierte:

„Um die Kosten einer Nachrichtenagentur einzusparen, besorgten sich die verantwortlichen Programmredakteure in aller Frühe die Morgenausgabe des Hamburger Fremdenblattes, einer angesehenen liberalen Zeitung der Stadt, und werteten sie für ihre Zwecke aus.“

(Quelle: Ulrich Heitger, Auf der Suche nach einem Programm. Die Nordische Rundfunk AG 1924-1932, in: Wolfram Köhler, Der NDR: Zwischen Programm und Politik, Hannover: Schlütersche 1991, Seite 25.)

Agenturoriginale

Google News versteckt übernommene Artikel.

Bislang macht Google News transparent, woher sehr, sehr viele Medien im Netz ihre Meldungen eins zu eins beziehen: nämlich von den Nachrichtenagenturen. Noch können die Zeitungen immerhin darauf hoffen, dass die Google-News-Nutzer mehr oder weniger zufällig auf ihrer Version der Agentur-Nachricht landen (auch wenn schon die kurzen Teasertexte auf Google News manchen Verleger in Rage bringen).

Das ändert sich gerade. Meldungen von AP, AFP, der britischen PA und der kanadischen CP übernimmt Google jetzt direkt — die Zeitungen, die sie übernehmen, tauchen nicht mehr auf. Die Begründung von Google: „By removing duplicate articles from our results, we’ll be able to surface even more stories and viewpoints from journalists and publishers from around the world.“ Google News erleichtere es damit den Nutzern, original content zu finden.

Im Google-News-Weblog hebt das Unternehmen feinsinnig hervor, dass es die Agenturmeldungen nicht publiziere, sondern die Texte der Partner nur hoste, weil diese keine Websites für Endkunden hätten — die Meldungen tragen allesamt das Logo „Gehostet von Google“. Und so sieht das dann in der Praxis aus: eine deutschsprachige AFP-Meldung mit Bild und Karte, Meldungen von AP, CP, PA; zum Vergleich die selbe AFP-Meldung bei Yahoo, dort mit Werbung. AFP war übrigens die Agentur, die im März 2005 Google verklagt hatte, im April einigten sich beide Seiten.

Bloggende Nachrichtenagenturen?

AP sendet Blog-Meldungen.

Jetzt wird es endgültig verwirrend: Associated Press hat angefangen, Blogeinträge als Meldungen über den Agenturticker zu geben. Die armen Redaktionen bekommen beispielsweise von AP-Football-Reporter Dave Goldberg am 5. Januar eine Meldung, die aus zwei einzelnen besteht, datiert 4. und 5. Januar. Am selben Tag läuft über den AP-Ticker eine Sammlung von Einträgen, die am 30. Dezember beginnt und von einer ganzen Reihe unterschiedlicher Autoren stammt. Offenbar wird die Meldung einfach täglich verlängert gesendet. Am 6. Januar kommt dann dies: „The following blog is from Jerusalem where AP staffers Aron Heller and Sara Toth covered the story of Prime Minister Ariel Sharon’s health crisis.“

Was genau sollen die AP-Kunden denn damit anfangen? Bei vielen Onlineangeboten läuft es einfach ungefiltert und verwirrend heraus, wie es hereingelaufen ist. Aber selbst da, wo Journalisten das Material bekommen, können sie ja schlecht daraus ein eigenes Blog erschaffen. Sollen sie es so abdrucken?

Ein 999-prozentiges Ja

Kleine Berichtigung einer Agenturmeldung.

Fehler machen wir alle andauernd, aber Agenturjournalisten müssen ihre Kunden — andere Journalisten — auch noch möglichst schnell auf die Fehler in Meldungen hinweisen, die diese womöglich sonst gar nicht gelesen hätten. Und die Kunden freuen sich dann über Berichtigungen wie diese zu einer Meldung über das irakische Verfassungsreferendum:

In [Meldungscode] muss der zweite Satz des dritten Absatzes richtig heißen: „Angesichts der unerwartet hohen Zustimmungsraten – in einigen Provinzen bis zu 98 Prozent – waren Vorwürfe von Wahlbetrug laut geworden.“ (nicht: 999 Prozent).