Die von der ACTA

Eine Demonstration aus der Korbstuhl-Perspektive.

Der Hamburger Wind treibt die Wolken im schnellen Wechsel an der Sonne vorbei, die Korbstühle der Cafés an der Mönckebergstraße sind trotzdem voll besetzt. Dann passiert etwas: In gemächlichem Tempo zuckeln erst Polizeiwagen, dann ein Lautsprecherwagen heran und blockieren die Einkaufsmeile für Busse und Taxen. Dahinter einige Hundert Menschen, die mal vorangehen, mal wieder stehenbleiben und etwas wollen. Aber was?

Den grünen und orangefarbenen Fahnen nach zu urteilen ist es ein Gemisch aus Piraten und Grüner Jugend, dazu ein winziger Schuss Antifa. Den weißen Aufklebern zufolge, wenn man sie denn aus einiger Entfernung überhaupt lesen kann, gehören sie offenbar zu einer Gruppe namens „ACTA“, jedenfalls steht das auf den Stickern. Andererseits scheinen sie sehr selbstkritisch zu sein: Schließlich schreit ein Großteil regelmäßig, angeleitet von Megafon-Trägern auf dem Wagen, „Scheiß auf ACTA!“

„Reiht Euch in die Demo ein!“, bekommen die Kaffeetrinker auf den Korbstühlen zu hören. Das lohnt sich zwar nicht, weil der Protestzug die Binnenalster schon einmal umrundet hat und es bis zum Rathausmarkt nicht mehr weit ist. Macht nichts, die Einkaufsbummler bekommen dennoch zu hören, dass sie „das Glotzen sein“ lassen sollen. Außerdem, rufen die Demonstranten, seien sie „hier“ und zudem „laut“, „weil Ihr uns die Freiheit klaut!“

Glücklich oder zumindest informiert sind die Korbstuhlsitzer, bei denen einer mit Flyern vorbeigekommen ist. Aha, ACTA, ein Abkommen, es geht um Internet und ums Europaparlament und Piraterie und Sanktionen. Die anderen, bei denen niemand mit einem Flyer vorbeigekommen ist, reimen es sich vielleicht mit viel Glück zusammen: Ordner im Trenchcoat, Piratenflaggen, da wird es schon irgendwie ums Internet gehen.

(Natürlich ist Selbstvergewisserung ein zentraler Bestandteil jeder Demonstration. Aber der Außenwelt ein Anliegen, einen Standpunkt zu vermitteln ist eben auch wichtig. Natürlich kann man darauf hoffen, dass die Leute nachher in der Zeitung oder im Fernsehen oder im Internet mitbekommen, worum es ging. Ob das gut oder schlecht erklärt wird, hängt dann eben von den erklärenden Journalisten ab. Mein Eindruck beim Beobachten der Hamburger Demonstration vom Sonnabend war: Besser vermitteln, worum es geht, bleibt auf der To-Do-Liste. Keine Frage, dass das bei ACTA allerdings noch schwerer ist als bei Vorratsdatenspeicherung oder Internetsperren.)